Kurzgeschichte “Der Koffer”

Flo Durdens Kurzgeschichte_Der Koffer

Eine von Flo Durdens Kurzgeschichten

der koffer

Kurzgeschichten von Flo Durden

Der sächsische Autor Flo Durden schreibt neben seinen Büchern und Sprüchen auch Kurzgeschichten, die er gern bei Lesungen vorträgt.

In seinen Geschichten beleuchtet er Themen von Alltagskonflikten, Leben, Gesellschaft, Träumereien, Philosophie oder auch Weißheiten, die ein genussvolles Leben wiedergeben.

Die Kurzgeschichte “Der Koffer” entstand im Jahr 2018 und handelt vor allem von Neugier und Ideenreichtum.

Auch Flo Durden ist ein sehr ideenreicher Mensch, der sich die Fragen “Was kann ich?” und “Was mache ich daraus?” sehr genau ansieht. “Ideen müssen reifen, dann aber auch verwirklicht werden”, so Flo Durdens Einstellung.

Der Koffer   © Flo Durden / 06.09.2018

Es war einmal ein sehr gebildeter Mönch, welcher einem Freund ein Geschenk machen wollte. So kam es, dass er sein höchstes Gut – also das, das ihm am meisten bedeutete – in einen zahlenschlossgesicherten Koffer packte und seinem Freund zukommen lassen wollte.

Er rief einen jüngeren Mönch herbei und bat diesen, den Koffer zu dem weit entfernt wohnenden Freund zu bringen.

Als der junge Mönch, mit dem Koffer in der Hand auf der Türschwelle stand, sagte der Alte: „Versuche nicht, den Koffer zu öffnen, nur mein Freund kennt die richtige Kombination. Und sei auf der Hut, dass dir niemand den Koffer entwendet! Des Weiteren bring mir die Kunde, wie mein Freund das Geschenk fand!“

So ging der junge Mönch los…

Der Freund wohnte in etwa drei Tagesmärsche weit weg und so kehrte der Mönch des ersten Abends in einem Wirtshaus ein und bat um einen Schlafplatz.

Der Wirt, den viele ein Schlitzohr nannten, warf einen Blick auf den schönen Koffer und sagte: „Sehr gern. Fühl dich in unserem Haus wie Daheim!“

Es war mitten in der Nacht, der junge Mönch schlief tief und fest, als ganz behutsam die Tür des Zimmers aufglitt. Der Wirt stand im Raum und fand nach kurzer Zeit das, wonach er suchte – den Koffer. Schnell nahm er ihn mit – der Mönch schlief noch immer tief und fest und hatte nichts gemerkt. Der Wirt ging mit dem Koffer in sein Arbeitszimmer und legte ihn auf den Schreibtisch. Nach dutzenden Versuchen, die richtige Zahlenkombination zu erraten, gab er auf. Er musste den Koffer gewaltsam öffnen, soviel stand fest! Doch er wollte auch nicht, dass der Mönch am Morgen aufwachte und keinen Koffer mehr hatte. Da kam ihm eine Idee.

Er warf sich seinen Mantel über und rannte mitten in der Nacht zu seinem Freund, dem Schuster. Nachdem er ihn wachbekommen hatte, fragte er, ob dieser vielleicht einen Koffer mit Zahlenschloss für ihn hätte?

Der Schuster war verwirrt aufgrund der nächtlichen Störung und des Anliegens wegen, doch hatte er einen solchen Koffer im Sortiment. Er ging in seine Werkstatt und nach kurzer Zeit war er wieder bei dem Wirt.

Der Wirt jedoch fragte: „Braun? Hmm… Hast du den nicht auch in schwarz?“

„Schwarz? Wieso?“

„Nur so, nur so. Schwarz fände ich besser!“

„Nein, tut mir leid. Nur in braun.“

„Ist gut – ich nehme ihn!“, sagte der Wirt und entlohnte den Schuster.

Dann rannte er zurück zum Wirtshaus und in sein Arbeitszimmer. Jetzt musste er sich etwas einfallen lassen, denn der Koffer des Mönchs war schwarz, nicht braun. Dann hatte er einen Einfall…

Am Morgen erwachte der Mönch. Nach seinem morgendlichen Ritual nahm er den Koffer, verabschiedete sich vom Wirt und zog weiter in Richtung seines Zieles.

Gegen Nachmittag begann es zu regnen und etwas Seltsames geschah. Der Koffer schien sich zu verwandeln – nach und nach wurde aus dem schwarzen Koffer ein brauner. Schnell erkannte der Mönch, dass das Schwarz Schuhcreme gewesen war. Nun stand er vor einem Problem. Hatte der alte Mönch ihm einen Streich spielen wollen oder wurde der Koffer vertauscht? Wohlmöglich in der Nacht im Wirtshaus.

Stundenlang überlegte der Mönch nach einer Lösung für sein Problem – und dann endlich fand er sie. Der Freund des Mönchs wusste ja nicht, welche Farbe der Koffer anfangs gehabt hatte!

So schritt der junge Mönch frohen Mutes weiter Richtung des Zieles. Die zweite Nacht verbrachte er – sicherheitshalber – unter freiem Himmel. Doch kurz vor dem Einschlafen kam ihm in den Sinn, dass, wenn der Koffer vertauscht worden war – nun der richtige Inhalt fehlte. Wieder zerbrach sich der Mönch den Kopf – bis ihm die Lösung vorschwebte…

Am frühen Abend des dritten Tages erreichte der junge Mönch das Haus des Freundes des alten Mönchs. Er übergab diesem einen Beutel voller Münzen sowie eine Schriftrolle und bestellte ihm die besten Grüße vom alten Mönch.

Der Freund wunderte sich zwar, dass es kein Koffer war, doch nahm er das Geschenk dankend entgegen.

„Bestell meinem Freund die besten Grüße und einen herzlichen Dank für sein Geschenk“, sagte der Mann zu dem jungen Mönch.

Dieser lächelte, nickte und ging schnellen Schrittes davon.

Sein Plan war also aufgegangen! So machte er sich zurück auf den Weg zum alten Mönch.

In der vorangegangenen Nacht hatte es der Wirt nach einigen Versuchen geschafft, den Koffer des Mönchs aufzubrechen. Als es ihm gelungen war, fluchte er laut, denn der Koffer war leer! Das konnte nur eines bedeuten – der junge Mönch musste den Inhalt in der Nacht an sich genommen haben…

Wegen all der Mühe und des Geldes, welches er dem Schmied für den neuen Koffer gegeben hatte, jauchzte der Wirt und warf den Koffer gegen die Wand. Eine ganze Woche lang war er schlecht gelaunt.

„Na, wie hat meinem Freund das Geschenk gefallen?“, fragte der alte Mönch den jungen, nachdem dieser wieder angekommen war.

„Prima! Ich soll die allerbesten Grüße bestellen!“, antwortete der junge Mönch.

Es vergingen ein paar Tage, da erreichte den alten Mönch ein Brief seines Freundes. Dieser bedankte sich noch einmal für das schöne Gedicht auf der Schriftrolle sowie den Beutel mit Münzen. Verdutzt blickte der alte Mönch drein. Sofort ließ er nach dem jungen Mönch rufen.

„Hast du mir etwas zu sagen?“, fragte er den Jungen nun und deutete auf den Brief des Freundes.

„Ich… Äh…“

Er erzählte seine Geschichte. Da schmunzelte der Alte und war fasziniert vom Gedankengang des jungen Mönches.

Dann sagte er: „Ich danke dir! Zu hoher Wahrscheinlichkeit hat der Wirt die Koffer vertauscht! Ich kenne diesen Wirt nämlich! Jeder nennt ihn ein Schlitzohr! Doch du hast in weiser Voraussicht den Inhalt des Koffers an dich genommen! Danke!“

Der junge Mönch verstand nicht: „Wie bitte? Aber ich habe den Koffer doch gar nicht geöffnet!“

„Ich weiß. Das musstest du auch nicht. Ich hatte ja gesagt, dass ich mein höchstes Gut in den Koffer gepackt habe. Und das ist auf dich übergegangen, indem du dir Gedanken gemacht hast, wie du aus der Misere herauskommst.“

Der junge Mönch lächelte verlegen und fragte: „Aber was war es denn, das du hineingetan hast?“

„Na wie ich schon sagte, mein höchstes Gut: Meine Phantasie.“